Klasse 9: Planspiel Europa

Von   12. Mai 2015

Die Bilder sind in den Medien derzeit omnipräsent: Auffanglager, in denen Zelt an Zelt gereiht ist, Boote, überfüllt mit Menschen, Särge, die sich in den Mittelmeerstaaten stapeln, weil viele Flüchtlinge ihren Weg über das Meer mit dem Leben bezahlen mussten. Schnell ist da die berechtigte Frage gestellt, warum niemand in der Politik etwas unternimmt. Wenn das mal alles so einfach wäre…

Während die Binnengrenzen Europas mit dem Schengen-Abkommen gefallen sind, wurden die Außengrenzen seither verstärkt, sodass Kritiker inzwischen von der „Festung Europa“ sprechen und beklagen, dass diese Abschottung nach Außen im eklatanten Widerspruch zu den humanitären Werten der EU stehe.

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Um selbst die Erfahrung machen zu können, wie vielfältig die Interessen sind, die auf die EU-Flüchtlingspolitik einwirken und wie schwierig sich der politische Entscheidungsprozess gestaltet, nahmen die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 des Caspar-Mohr-Progymnasiums Bad Schussenried am Freitag, dem 08. Mai 2015, einen Vormittag lang an einem politischen Planspiel teil. Im Rahmen des Gemeinschaftskundeunterrichts bei Schulleiterin Susanne Wehling besuchten die freiwilligen Mitarbeiterinnen der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) Baden-Württemberg, Renate Sigrist und Carolin Grulms, die Klasse. Nach einer Begrüßung und Einführung in die Spielidee wurden verschiedene Rollen an die Schüler verteilt. Die meisten nahmen die Funktion eines Staats- oder Regierungschefs verschiedener EU-Länder ein, aber auch die EU-Ratspräsidentschaft und die Rolle der Presse wurden vergeben.

Nachdem sich alle Schüler in ihre Rolle eingearbeitet hatten, ging das eigentliche Planspiel los. Schnell wurde ersichtlich, dass sich die Jugendlichen tief in die Positionen der von ihnen vertretenen Länder eingedacht hatten, denn sie nahmen engagiert an der Diskussion teil. Konflikte, wie sie derzeit in der EU zu beobachten sind, traten auch in der Klasse schnell zu Tage, so etwa die unterschiedlichen Haltungen der Nord- und Südländer, dazu die osteuropäischen Staaten, die versuchten, Belastungen jeder Art zu vermeiden, und auch jedes Land für sich, das der Spannung zwischen Solidarität und Eigeninteressen ausgesetzt war und sich dazwischen positionieren musste.

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Besondere Rollen hatten dabei die Schüler Christian Merk als EU-Ratspräsident und Hannah Müller als EU-Kommissarin inne. Sie gestalteten die Debatte und wirkten durch ihre sehr gute Moderation, souveräne Leitung des Geschehens und fundierte, auf Kompromisse und Konsensfindung abzielende, sachliche Inputs nachhaltig positiv auf das Planspiel ein.

Die vorgebrachten Lösungsvorschläge waren sehr vielfältig. Da gab es radikale Ansätze, wie das Aufheben des Schengen-Abkommens und der Wiedereinführung von Grenzen innerhalb der EU oder die Schließung aller EU-Außengrenzen, aber auch gemäßigte Vorschläge, etwa die Südländer der EU beim Aufnehmen der Flüchtlinge zu entlasten und die Krisen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge gezielt mittels humanitärer Hilfe aufzulösen, wenn nötig aber auch durch militärisches Eingreifen in Krisen- und Kriegsgebieten. Auch eine Unterscheidung der Flüchtlinge war einigen Schülern wichtig, die zwischen Wirtschaftsflüchtlingen unterschiedenen, die es auf mehr Geld und Arbeit abgesehen haben, im Gegensatz zu Flüchtlingen, die versuchen, Krieg und Verfolgung zu entgehen, in der Regel aber gerne in ihr Heimatland zurückkehren möchten. Auch praktische Aspekte der Flüchtlingsverteilung in Europa wurden diskutiert, zum Beispiel ob es möglich sei, die Flüchtlinge anhand der Arbeitsmarktsituation verschiedener EU-Mitgliedsstaaten zu verteilen.

Konsensfähig waren aus all den Vorschlägen am Ende nur die Entwicklungshilfe für Krisengebiete und die Verteilung der Flüchtlinge anhand einer Quote, die Bruttoinlandsprodukt, Größe und Einwohnerzahl der Aufnahmestaaten berücksichtigen sollte.

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Eine besonders wichtige Erfahrung für die Schüler war, dass mit der Debatte erst die kleinste Hürde im politischen Verfahren genommen worden war. Was sich anschloss, war ein schwieriger politischer Prozess, bei dem die EU der Klasse 9 mehrfach kurz vor dem Auseinanderfallen stand und Malta nur durch einen Antrag zur Geschäftsführung vor dem einstimmigen Rauswurf gerettet werden konnte. Dabei war das Hauptproblem die geforderte Einstimmigkeit bei Abstimmungen. Nachdem zunächst versucht wurde, Gegenstimmen aus der Abstimmung auszuschließen, fanden die Schüler bald einen guten eigenen Lösungsweg, indem sie aus mehreren fast gescheiterten Anträgen die nötigen Konsequenzen zogen und einen Konsens erzielten. Durch fortschreitende Anträge, bei denen den Jugendlichen bewusst wurde, wie wichtig die genaue Formulierung bei der politischen Beschlussfassung ist, unterzeichneten letztendlich alle versammelten Staatsoberhäupter und Regierungschefs den Beschluss, durch finanzielle und politische Unterstützung die Krisengebiete zu stabilisieren und die Lage dort zu verbessern, sowie die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU gerechter zu organisieren entsprechend der finanziellen und industriellen Situation aber auch der Größe und Einwohnerzahl der EU-Staaten.

Bei der Auswertung am Ende erhielt die Klasse viel Lob von den Mitarbeiterinnen der LpB, da sie sich sehr lebhaft und ungewöhnlich engagiert an der Debatte beteiligt und einen hohen Identifikationsgrad mit ihren Rollen gezeigt hatte – auch dann, wenn die persönliche Meinung der Schüler von diesen Positionen abgewichen waren. Auch dass die Jugendlichen die humanitären Aspekte des Problems während der Debatte nie aus den Augen verloren hatten, wurde besonders lobend erwähnt. Aber auch die Spielleitung erhielt viel positives Feedback von den CMPG-Schülern, die neben dem Spaß am Spiel viele Erfahrungen aus diesem Vormittag mitnehmen konnten, zum Beispiel die Einsicht, dass Politik Geduld und Zeit kostet, Einmischung aber auch Kompromissbereitschaft verlangt und dass zum Debattieren nicht nur Rhetorik sondern auch das Zuhören und Ausredenlassen gehört. Und nicht zuletzt erfordert sie eine gewisse Frustrationstoleranz, für die am Ende – in diesem Fall – der geglückte Kompromiss entschädigen konnte.

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Schwäbische Zeitung vom 21.05.2015:
http://www.schwaebische.de/region_artikel,-Schueler-versuchen-Loesung-fuer-Fluechtlingsproblem-zu-finden-_arid,10235327_toid,104.html

Schüler versuchen Lösung für Flüchtlingsproblem zu finden

Planspiel der Landeszentrale für polische Bildung verdeutlicht Jugendlichen komplizierte EU-Politik

Eifrig arbeiteten sich die Schüler in ihre Rollen ein.

Eifrig arbeiteten sich die Schüler in ihre Rollen ein. Foto: privat

Bad Schussenried sz Um zu verstehen, wie vielfältig die Interessen sind, die auf die EU-Flüchtlingspolitik einwirken und wie schwierig sich der politische Entscheidungsprozess gestaltet, haben die Neuntklässler des Caspar-Mohr-Progymnasiums Bad Schussenried vor Kurzem einen Vormittag lang an einem politischen Planspiel teilgenommen.

Im Rahmen des Gemeinschaftskundeunterrichts besuchten die Mitarbeiterinnen der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Renate Sigrist und Carolin Grulms, die Klasse.

Die Schüler übernahmen in dem Planspiel die Funktion eines Staats- oder Regierungschefs verschiedener EU-Länder und die Rolle der EU-Ratspräsidentschaft. Nach einer kurzen Einarbeitungsphase entspann sich eine Diskussion. Konflikte, wie sie derzeit in der EU zu beobachten sind, traten auch in der Klasse schnell zutage, so etwa die unterschiedlichen Haltungen der Nord- und Südländer, dazu die osteuropäischen Staaten, die versuchten, Belastungen jeder Art zu vermeiden, und auch jedes Land für sich, das der Spannung zwischen Solidarität und Eigeninteressen ausgesetzt war und sich dazwischen positionieren musste. Besondere Rollen hatten dabei die Schüler Christian Merk als EU-Ratspräsident und Hannah Müller als EU-Kommissarin inne. Sie wirkten durch ihre gute Moderation, souveräne Leitung des Geschehens und fundierte, auf Kompromisse und Konsensfindung abzielende, sachliche Inputs positiv auf das Planspiel ein. Die vorgebrachten Lösungsvorschläge waren vielfältig. Da gab es radikale Ansätze, wie das Aufheben des Schengen-Abkommens und der Wiedereinführung von Grenzen innerhalb der EU oder die Schließung aller EU-Außengrenzen. Aber auch gemäßigte Vorschläge gab es, etwa die Südländer der EU beim Aufnehmen der Flüchtlinge zu entlasten und die Krisen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge gezielt mittels humanitärer Hilfe aufzulösen, wenn nötig aber auch durch militärisches Eingreifen in Krisen- und Kriegsgebieten.

Konsensfähig war nur die Entwicklungshilfe für Krisengebiete und die Verteilung der Flüchtlinge anhand einer Quote, die Bruttoinlandsprodukt, Größe und Einwohnerzahl der Aufnahmestaaten berücksichtigen sollte.