Heimatstunde

Von   19. September 2017

Zum dritten Mal in Folge hatten die Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen in Bad Schussenried die Gelegenheit, an der Heimatstunde teilzunehmen. Ganz herzlichen Dank geht dafür an Herrn Wolfgang Dangel und alle Mitwirkenden, dass wir auf diese Weise wieder etwas über die Vergangenheit unserer Stadt und unserer Region erfahren konnten – auf vergnügliche und unterhaltsame Weise. Auch zahlreiche Schüler waren wieder auf der Bühne dabei.

Nach Kloster und Bauernkrieg in den beiden letzten Jahren machten wir dieses Mal einen Sprung in die jüngste Vergangenheit. Herr Dangel schickte uns in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg: Es war eine schlimme Zeit in Deutschland. Viele Menschen waren entwurzelt: Seelisch, weil man sich der Schrecken und Sinnlosigkeit des Krieges bewusst wurde und der Schuld, die Deutschland mit dem Krieg und den Völkermorden auf sich geladen hatte. Körperlich, denn die Männer waren vielfach noch in Gefangenschaft oder verstümmelt und traumatisiert oder tot, die Vertreibungen im Osten lösten ganze Völkerwanderungen aus. Beim Vorgespräch im Unterricht mit den Fünftklässlern des Progymnasiums über das Stück zeigte sich, wie sehr zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit in den Familien noch präsent sind, denn jeder wollte erzählen: Geschichten von Gefangenschaft, Flucht, Fliegerangriffen, Verletzungen und Tod wurden berichtet. Auch deutlich wurde: Von 26 Fünftklässlern hat rund die Hälfte von Fluchterfahrungen in der Familie berichtet. Eine glücklichere Familie konnte mit Pferdegespann flüchten, die anderen meistenteils nur zu Fuß, darunter gab es auch eine Schwangere, eine Mutter mit 5 Kindern, ein Familie mit einem schwer kriegsversehrten Vater, der nicht mehr arbeiten konnte. Die Nachfahren all dieser Menschen leben und arbeiten heute hier in Oberschwaben und sind gut integriert. Das ist eine der großen Leistungen, die die Menschen nach dem Krieg vollbracht haben. Und dass dies in den Familien weitererzählt wird, ist gut, denn es macht auch Hoffnung für Herausforderungen der Zukunft.

Trotz allem Elend der Nachkriegszeit war Oberschwaben eine vergleichsweise glückliche Region: Wenig war durch den Krieg zerstört worden. Und während in den bevölkerungsreichen Gebieten Deutschlands Hunger herrschte, war Oberschwaben eine Region, die Lebensmittelüberschuss produzierte. So kam es, dass wenn die Abgeordneten aus Oberschwaben ins Parlament im Kloster Bebenhausen bei Tübingen fuhren, sie Essen und Trinken für Ihre Kollegen mitnahmen, damit diese sich einmal sattessen konnten. Auch die französischen Soldaten nahmen Oberschwaben als Paradies wahr: friedlich, schön, idyllisch, gepflegt, ganz im Gegensatz zu dem Frankreich, das die Jahre zuvor schwer unter dem Krieg und der Herrschaft Nazideutschlands gelitten hatte.

Wolfgang Dangel legte seinen Akzent auf die Entscheidung von Bürgermeister Moriz Miller, Schussenried zur Stadt aufzuwerten, ein Vorgang von geringer praktischer Bedeutung, der aber das Prestige und Ansehen Schussenrieds erhöhte. Politisch war die  Zeit zwischen 1945 und 1952 (bis zur Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg) eine Zeit, in der die Gemeinden, die Dörfer, die Städte und die Landkreise, so eigenständig und mächtig waren wie niemals zuvor oder danach in der Geschichte: Es gab keine starke Regierung, die ihnen Vorschriften machen konnte. Alles kam darauf an, was Bürgermeister oder Landräte – damals noch allesamt Männer (und oft sehr kluge und tatkräftige Männer) – aus ihrer Freiheit machten. Mit der Erhebung zu Stadt zeigte die Gemeinde Selbstbewusstsein und Gestaltungswillen, es war ein zukunftsweisende Entscheidung, wir merken das am heutigen Erscheinungsbild der Stadt, aber auch an der Existenz von drei weiterführenden Schulen vor Ort und an den vielen Betrieben und Arbeitsplätzen, die Bad Schussenried heute anzieht

Wir durften mit der Heimatstunde am vergangenen Freitag also ein Theaterstück sehen, das sich einerseits mit einer noch sehr in den Erinnerungen präsenten Zeit beschäftigte und zugleich Mut machte, die Zukunft zu gestalten.