Unfall? Nein, danke!

Von   14. Mai 2017

Nach einer Party war den Schülerinnen und Schülern der Klasse 10 des Caspar-Mohr-Progymnasiums am Nachmittag des 11. Mai nicht mehr zu mute. Seit halb 10 am Vormittag hatten sie das „P.A.R.T.Y“ (Prevention of Alcohol and Risk-realated Trauma in Youth) Programm des Universitätsklinikums in Ulm absolviert, das sichtbar in den Köpfen nachwirkte.

Bei P.A.R.T.Y geht es um die Sensibilisierung junger Menschen, die kurz vor dem Führerscheinerwerb stehen, für vermeidbare Ursachen von schweren Verkehrsunfällen, aber auch von anderem riskanten Verhalten, zum Beispiel beim Kopfsprung in unbekanntes Gewässer. Organisiert wurde die Exkursion von Seiten der Schule durch den stellvertretenden Schulleiter Christian Jobke und von Seiten der Uni-Klinik Ulm durch Frau Dr. Sigrun Traub.

Zu Beginn des Projekttages wurde die Grundeinstellung der Schüler zum Thema mithilfe eines Fragebogens ermittelt, der in leicht veränderter Version am Ende noch einmal ausgeteilt wurde, um Veränderungen durch das Programm ermitteln zu können.

Der einführende Vortrag zum Thema „Trauma“ von Dr. Traub machte schnell klar: statistisch gesehen sind junge Fahrer besonders gefährdet im Straßenverkehr. Dabei gibt es kontrollierbare Gefahren, die man selbst in der Hand hat, aber eben auch solche, die sich nicht beeinflussen lassen.

Danach besuchte die Klasse eine Station der Chirurgie, wo sich die Schüler ein Krankenzimmer anschauen konnten und anhand von Röntgenbildern und Fotos mit den Ärzten einen Fall besprechen konnten.

Es folgte die Besichtigung eines Rettungswagens, wobei über Maßnahmen der Erstversorgung aufgeklärt wurde, dazu die Überwachung von Herz und Kreislauf der Patienten während des Transports sowie der Einsatz von Nackenstützen und weiteren Maßnahmen, um durch Stabilisierung (weitere) Schäden an der Wirbelsäule zu vermeiden.

Stabilisierung der Motorradfahrerin am Rettungswagen

Im Schockraum erfuhren die Schüler alles über lebensrettende Maßnahmen vom Intubieren bis zur Not-OP, die bei inneren Blutungen möglich sein kann. Ein Arzt berichtete anschaulich von einer Patientin, bei der 50 Blutkonserven á 250ml eingesetzt wurden, die aber letztendlich dennoch verstarb.

Beatmung von Hand im Schockraum

Auf der Intensivstation begegneten die Jugendlichen einer Patientin mit Leberschaden und Nierenversagen. Die blutgefüllten Schläuche und Reinigungszylinder der Dialyse waren sichtbar, ebenso eine ganze Reihe von Medikamenten, die währenddessen intravenös verabreicht wurden. Außerdem besprachen die Ärzte mit ihnen den Fall eines verunglückten Motorradfahrers, der währenddessen nebenan im OP war mit multiplen Rippen- und Wirbelbrüchen, obwohl er mit gerade einmal maximal 40 km/h auf eine Leitplanke geprallt war.

Nachdem das Mittagessen, zu dem das Universitätsklinikum eingeladen hatte, die Schüler wieder etwas zu Kräften hatte kommen lassen, war das Thema „Physiotherapie“ an der Reihe: Der Therapeut berichteten vorrangig von besonders schweren Fällen, in denen zum Beispiel Gelenke bewegt werden müssen, um Versteifungen entgegenzuwirken oder über gezielte Muskelbewegungen der Extremitäten, um die Thrombosegefahr der Patienten zu reduzieren. Er berichtete aber auch von wundgelegenen Patienten aus Pflegeheimen, die vor allem deshalb behandelt werden müssen, weil dort zu wenig Personal für die Pflege vorhanden ist.

Physiotherapie, Kreislauf mobilisieren durch Lageänderung

Eine Polizistin schilderte anschließend, wie sie ganz persönlich einen nächtlichen Einsatz erlebte. Sie wurde zusammen mit ihrem Kollegen zu einem Verkehrsunfall gerufen. Vor Ort stellte sich daraus, dass zwei Insassen den Unfall nicht überlebten, die anderen zwei waren schwerverletzt. In der gleichen Nacht hatte sie noch die Aufgabe, die Eltern der jungen Beifahrerin zu informieren.

Zuletzt bekamen die Schülerinnen und Schüler noch die Gelegenheit, mit einem Unfallopfer direkt zu sprechen. Obwohl der Unfall inzwischen fünf Jahre her ist, leidet die betroffene Motorradfahrerin unter den Folgen bis heute. Eine Fahranfängerin hatte ihr die Vorfahrt genommen worden, ohne eigenes Verschulden hatte sie sich Trümmerbrüche in den Beinen zugezogen, unter Anderem musste die Milz entfernt werden, Hände und Kopf wurden ebenfalls verletzt. Nach dem Unfall lag sie zunächst einige Tage im künstlichen Koma, wochenlang folgten Operationen. Inzwischen ist sie zwar wieder teilweise arbeitsfähig, ihren alten Beruf kann sie aber nicht mehr ausüben, da sie nicht lange genug sitzen, stehen oder liegen kann. Auch ihre Konzentrationsfähigkeit sei deutlich schlechter als vorher.

Zum Abschluss kam die Gruppe noch einmal zur Nachbesprechung zusammen. Hier zeigte sich, dass die Schüler sichtlich überwältigt waren von den vielen Eindrücken des qualitativ sehr hochwertigen Programmes. An jeder einzelnen Station waren sie von den Ärzten und Therapeuten stark in das Geschehen und die Diskussion eingebunden worden, viele der Eindrücke wirkten noch sichtbar nach.

Ein kurzer Moment – so die Erfahrung des Tages – kann das Leben verändern, das eigene ebenso wie das der Mitmenschen, seien es Unfallbeteiligte oder Angehörige, die die Pflege übernehmen müssen. Dabei ist es zwar einerseits gut zu wissen, dass Sanitäter und Ärzte um jedes Leben kämpfen und man sich bei ihnen in sicheren Händen wissen kann, viel besser aber wäre es, man würde sie gar nicht erst brauchen. Die Risiken des eigenen Handelns muss letztendlich jeder selbst abschätzen – wie hoch das Risiko ist, das wissen die CMPGler jetzt auf jeden Fall besser als zuvor.