Mit ruhiger Hand ins Ziel: Weltveränderer

Von   23. Juli 2018

Aus der Schwäbischen Zeitung:

Boxen oder Bogenschießen? Das ist keine Kampfansage, sondern ein Mittel, um die Welt zu verändern. Dazu haben die Schüler des Schulzentrums Bad Schussenried diese Woche in einer Projektwoche gearbeitet. Initiator ist der Bund der Katholischen Jugend (BDKJ).

„Werde WeltFairÄnderer“ lautet das Motto der Projektwoche. Dabei dreht sich alles rund um die Themen Umweltbewusstsein und soziale Fairness. Während die Klassen vormittags festen Workshops zugeteilt sind, können sich die Schüler am Nachmittag zusätzlich für ein offenes Programm eintragen. Hier übernehmen Kooperationspartner die Leitung.

Oliver Nessensohn arbeitet in der offenen Kinder- und Jugendarbeit Bad Schussenried. Bei ihm üben die Schüler an Pfeil und Bogen. Dabei arbeiteten die Jugendlichen vor allem an sich selbst: „Man muss sich konzentrieren und die Spannung halten, aber auch loslassen können,“ sagt Nessensohn. Es gehe darum, Ziele klar ins Auge fassen zu können, den Lauf der Dinge aber auch zu akzeptieren. Der elfjährige Niklas hat das Bogenschießen schon einmal in den Ferien ausprobiert und ist begeistert. „Das macht schon Spaß, sich an ein bestimmtes Ziel zu richten. Wie beim Dart, nur ist das hier größer.“

Während Niklas beim Bogenschießen eine ruhige Hand braucht, ballen die Kinder in der Sporthalle die Fäuste. Hier steht Boxen auf dem Programm. Schon bei der Aufwärmrunde schlagen die Schüler teilweise so heftig auf die Matten ein, dass sich einige die Hände aufrauen. Zu viel Power? „Das ist eigentlich gut. Denn es zeigt ihre Motivation“, sagt Sportlehrer Matthias Hipp, der den Kurs anleitet. Im Boxsport gehe es um gegenseitigen Respekt. Zugleich lernten die Kinder dabei, ihren eigenen Standpunkt zu behaupten. Im Workshop bestritten die Schüler keinen Kampf mit einem Gegner, sondern übten die Grundtechniken mit einem Partner.

Denkmal zur Selbstreflexion

Zusammenarbeit ist auch im zweiten Workshop-Zelt vor der Sporthalle gefragt. In einer Theater-Stunde erschaffen die Jugendlichen eigene Denkmäler. „Das Thema lautet ,Was Handys mit uns machen’“, erklärt Schauspielerin Helga Reichert. Ein Mädchen fängt an und positioniert sich so, als würde sie gerade ein Foto von sich schießen. Nach und nach steigen alle anderen in das Standbild mit ein und verharren in ihrer Pose. Der zwölfjährige Noah springt schnell ins Bild. „Mir fällt das leicht., obwohl ich noch nie vorher Theater gespielt habe“, sagt er. Überwindung koste es ihn nicht, in eine andere Rolle zu schlüpfen.

In der Projektwoche überdenkt Noah aber nicht nur seine Handy-Nutzung . Auch in Sachen Plastik hat er dazu gelernt: „Die ganze Verpackung beim Obst ist wirklich überflüssig. Alles muss gefühlt 20 Mal eingepackt werden.“ Er werde nun versuchen, beim Einkaufen darauf zu achten. Auch Larissa lässt das Thema Plastikmüll nicht mehr los. „Ich war überrascht, dass sich Plastik in so kleine Teilchen und so langsam zersetzt.“ Auch sie wolle im Supermarkt aufmerksamer sein. Völlig ohne Plastik gehe es aber vermutlich nicht. „Ich liebe Wurst, davon könnte ich mich wirklich nicht trennen.“ Wer Weltveränderer werden will, braucht auch ausreichend Energie. In der Schulküche wird daher fleißig geschnippelt. Es gibt einen Paprika-Frischkäse-Aufstrich, einen Gemüseteller, eine Fruchtmilch und ein Müslibuffet.

Nachdenken über Ernährung

Bei Noée, acht Jahre alt, landet sonst oft ein Salamibrot in der Vesperbox: „Ich esse aber auch gerne Obst.“ Vor allem Äpfel möge sie. Mit den Frühstücksalternativen seien wichtige Bausteine der Ernährungspyramide schon abgedeckt, erklärt Tina Krötlinger-Schütte, Teamerin von der Landesinitiative „BeKi“ – eine Abkürzung für „bewusste Kinderernährung“. „Drei Milchportionen brauchen wir am Tag. Mit den Rezepten für die Frühstücke zuhause und in der Schule sind die schon gut abgedeckt.“

Egal, in welches Thema die Schüler am Nachmittag näher eintauchen. Mit einer Sache beschäftigen sich alle. Und das die ganze Woche über. Der BDKJ hat eine Schulwette ausgerufen: Bis zum Abschluss der Projektwoche müssen die Schüler 25 000 Plastikschraubverschlüsse gesammelt haben. Das Geld geht an die Aktion „Deckel gegen Polio“, die das Plastik an Rohstoffhändler weitergibt und mit dem Erlös Polio-Impfungen finanziert.

Bis Donnerstagmorgen waren bereits 21 371 Deckel zusammengekommen, erklärt Dominik Nawratil. Er sei zuversichtlich, dass die Schüler den Rest auch noch schafften. „Die Kinder gehen in der Mittagspause sogar in den Supermarkt und stellen sich zu den Pfandautomaten, in der Hoffnung, dass die Kunden ihre Deckel abgeben.“

Von Birga Woytowicz